Am gestrigen Donnerstag lud der Kreis Nordfriesland Familienzentren, Einrichtungsträger, Parteien, Lokalpolitiker und weitere Verantwortliche zum Austausch in Sachen Fachkräftemangel in der Erziehung. Laut „Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2021“ ist der Personalbestand in Kindertageseinrichtungen zwischen 2012 und 2020 zwar dreimal so stark gewachsen – zahlenmäßig befinden sich Kindertageseinrichtungen nunmehr fast auf Augenhöhe mit den allgemeinbildenden Schulen.
„Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Erzieher*innen in unserem Kreis, aber auch andernorts, vielfach an ihrer Belastungsgrenze arbeiten und wir einen enormen Fachkräftebedarf verspüren“, kommentiert die Kreisvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Katrin Samulowitz.
Denn mit dem starken Wachstum, dem Anstieg der Geburtenrate und der Zuwanderung von Einwohnern im Kreis Nordfriesland geht ein erhöhter Fachkräftebedarf in Kindertageseinrichtungen einher. So schrieb die Bundesagentur für Arbeit im April 2022 rund 1.047 offene sozialversicherungspflichtige Stellen für Erzieherinnen und Erzieher allein im Bundesland Schleswig-Holstein aus. Gut 200 Stellen im Kreis Nordfriesland scheinen nach aktuellem Stand unbesetzt – eine Situation, die sowohl die tätigen Fachkräfte als auch die Familien stark belastet. Krankheitswellen wie zuletzt während der Corona-Pandemie führten dazu, dass zahlreiche Erzieher*innen selbst erkranken und in Fällen, in denen keine Vertretung zwischen Einrichtungen möglich ist, die Notbetreuung durch die Eltern ausgerufen wurde. In Folge fielen viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seit Jahresbeginn bereits mehrtägig aus. Fünf bis zehn Tage lange Arbeitsausfälle, um die Betreuung der eigenen Kinder zuhause zu gewährleisten, gelten als Normalfall. Gleichzeitig kämpft das bestehende Personal mit den knappen Ressourcen, um allen anderen Kindern eine Betreuung bieten zu können. Auf den nordfriesischen Inseln verstärkt sich die Situation durch fehlende Unterkünfte für Personal. Samulowitz weiter: „Hier müssen wir auch als Kreis die Hilfe ausweiten, um die Attraktivität dieses wichtigen Berufes zu erhalten. Finanzielle Anerkennung ist das Eine, aber auch die Ausweitung der Ausbildungsangebote sowie der Projekte für den Fachkräftenachwuchs müssen einen höheren Stellenwert bekommen!“
Der Kreisverband von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN befürwortet daher praxisintegrierte Ausbildungsmodelle und eine höhere Vergütung, um dem Ausbildungsberuf Erzieher*in wieder mehr Wertschätzung zuteil werden zu lassen. Abbau von Bürokratie bei der Antragsstellung, Nutzung vorhandener Räume für Personal und Einrichtungen, planerische Integration von Kindertagesstätten in Neubaugebieten, eine Ausweitung von Betreuungsmöglichkeiten auf Unternehmen, die Anwerbung von FSJler und Bufdis für erzieherische Berufe sowie ein Schulgeld für Erzieher*innen in Ausbildung sind weitere mögliche Lösungsansätze. Auch die Zugangsvoraussetzungen für Auszubildende oder Quereinsteiger sollten auf den Prüfstand.
Der Kreisverband fordert auch vor dem Hintergrund der Flüchtlingsankunft ein schnelles Handeln. „Denn angesichts der zusätzlichen Betreuung von Kindern geflüchteter Familien aus der Ukraine, müssen wir zügig handeln, damit unsere Fachkräfte nicht unter baldiger Erschöpfung leiden. Uns ist daher insbesondere wichtig, dass Mitarbeitende im Kitabereich mindestens als sozialpädagogische Assistenten ausgebildet sind“, zieht die Kreisvorsitzende ihr Fazit.