Kerstins Rede zum gemeinsamen Antrag Insektenschutz

TOP 20: Beratung und Beschlussfassung über insektenfreundliche Maßnahmen in Nordfriesland

Ich freue mich, heute einen gemeinsamen Antrag von CDU, Wählergemeinschaft, SSW, GRÜNEN und Linken einbringen zu können, in dem es um insektenfreundliche Maßnahmen für Nordfriesland geht.

Wir hatten hier im Kreistag im November letzten Jahres beschlossen, dass der Umwelt- und Energieausschuss sich umfassend mit dem Thema Insektensterben und seinen Ursachen, Folgen und Gegenmaßnahmen auseinandersetzen solle. Dies ist in den beiden letzten Ausschusssitzungen geschehen.

Der Vortrag von Frau Inke Rabe vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume im Januar hat deutlich gemacht, dass das Problem des Insektensterbens massiv ist und dass es nicht an Zahlen mangelt. Auch für Schleswig-Holstein gilt: weit über die Hälfte der heimischen Insektenarten sind bedroht oder bereits ausgestorben. Dies hat nicht nur immense ökologische Folgen, sondern auch wirtschaftliche: so wird der Wert der Bestäubung auf weltweit 150 Milliarden Euro/jährlich geschätzt.

Anfang dieses Monats hat dann der Landesnaturschutzbeauftragte Prof. Dr. Gerth den Umweltausschuss über mögliche Maßnahmen zum Schutz der Insekten informiert.

Der Ausschuss war sich im Anschluss einig:

Wir wollen als Kreis Nordfriesland mit gutem Beispiel vorangehen. Gleichzeitig ist uns aber klar, dass der Kreis selber nur begrenzt tätig sein kann, deshalb bitten wir die Kommunen im Kreis und die Bürgerinnen und Bürger, ebenfalls tätig zu werden und insektenfreundlich zu handeln.

Bereits im Ursprungsantrag war klar, dass man möglichst viele Akteure an einen Tisch holen muss, um etwas zu erreichen. Deshalb regen wir einen Runden Tisch mit Berufsstandesvertretung der Landwirtschaft, Naturschutzverbänden, BürgermeisterInnen und AmtsvorsteherInnen in Zusammenarbeit mit der oder dem Beauftragten zum Nachhaltigkeitsvorhaben an.

Darüber hinaus wird die Verwaltung gebeten, eine ganze Reihe konkreten Maßnahmen gegen das Insektensterben möglichst rasch in Angriff zu nehmen.

Ich zähle beispielhaft nur drei auf, die auch im Ausschuss eine größere Rolle gespielt haben, alle übrigen sind im Antrag nachzulesen.

·      Neben Blühpflanzen sind auch Bäume, gerade auch absterbende Bäume, ein wichtiger Lebensraum für bestimmte Insektenarten. Deshalb sollen die Anteile von Naturwald und Tot- und Altholz erhöht werden. Die Baumpflege im öffentlichen Raum soll nach Möglichkeit stehende Stammreste als Altholz erhalten.

·      Blühstreifen an Straßen können Öffentlichkeitsarbeit für Insektenschutz leisten, weil sie neben ihrem ökologischen Wert tatsächlich wahrgenommen werden. Die naturfreundliche Pflege des Straßenbegleitgrüns und ein artenfreundliches Flächenmanagement ist Teil des Plans. Natürlich alles nur im Sinne der Verkehrssicherheit.

·      Informationsweitergabe über konkrete Maßnahmen (z.B. Blühstreifen, spätere Mahdzeitpunkte, Mähen statt Mulchen, Verzicht auf Laubsauger…) in Kommunen und Behörden etwa bei Bürgermeister-Dienstversammlungen, sowohl mündlich als auch mit Broschüren.

Ich bitte dem Antrag zuzustimmen!

Fraktionsstellungnahme von Bündnis 90/DIE GRÜNEN:

Ich möchte hier einfach die Ursachen aufzählen, wie sie uns im Umweltausschuss von Prof. Gerth dargestellt wurden, weil ich überzeugt bin, so die Vielfalt und Art der notwendigen Maßnahmen schon sehr deutlich wird:

Ursache: Landwirtschaft und EU-Agrarpolitik:

–       Änderung der Flächennutzung (EEG)

–       Lebensraumverluste,

–       Intensivierung + Pflanzenschutz z.B. Glyphosat + Neonicotinoide

–       Tierarzneimittel gegen Endoparasiten

Ursache: Öffentliche Grünflächen und Gärten

–       pflegeleichte Grünflächen

–       Laubsauger

–       nicht heimische Gehölze

–       zu viele versiegelte Flächen etwa in Gewerbegebieten

Ursache. Klimawandel

–       Konkurrenz durch Einwanderung wärmeliebender Arten

–       Krankheitsübertragungen

Ursache: Globalisierung

–       Einschleppung von Parasiten und Neofauna

Zum Änderungsantrag der Linken: einfach nur nach dem Motto „Suchen und Ersetzen“ den Begriff „insektenfreundlich“ durch „für den Arten- und Biotopschutz“ zu ersetzen wird meines Erachtens der Sache nicht gerecht. Ja, man muss das große Ganze sehen, aber dennoch Nein, man muss gleichzeitig auch Details und Fachlichkeit im Auge behalten.

Vögel brauchen beispielsweise zum Teil noch ganz andere Maßnahmen als die hier für Insekten aufgeführten, man muss genau gucken wie man Artenvielfalt in Nordfriesland weiter fördern kann.

So sollte man bei der anstehenden Anhörung zu möglichen Entwässerungsmaßnahmen unbedingt auch jemand aus der Ornithologie zur Rate ziehen.

Den zweiten Teil des Linken-Antrages, den Imkerbund und den oder die neue Naturschutzbeauftragte des Kreises zum Runden Tisch dazu zu holen, unterstützen wir Grünen gerne. Den ersten Teil lehnen wir ab.

Zum Änderungsantrag der SPD:

Ich bin erstaunt, dass hier gefordert wird, über die Eignung und Umsetzungsmöglichkeiten der Maßnahmen zu diskutieren, obwohl dies zweimal sehr ausführlich und konkret im Umweltausschuss geschehen ist und meiner Erinnerung nach auch die SPD-Vertreter und die Vertreterin sich im Ausschuss sehr für diese Maßnahmen stark gemacht haben – wie Frau Arff für die jetzt im Antrag benannte Informationsweitergabe – da wurden sogar Schulungen für Gemeindemitarbeiter gefordert.

Mich wundert der plötzliche Sinneswandel, wenn es konkret wird.

Natürlich wird die eine oder andere Maßnahme auch mit Kosten verbunden sein, aber der Schutz unsere Natur ist nun mal nicht für lau zu haben – und natürlich muss man bei der Vielzahl der Maßnahmen priorisieren, das wird die Verwaltung auch tun, da bin ich sicher.

Aber die Zeit drängt – jetzt beginnt das Frühjahr mit vielen gärtnerischen Maßnahmen – genau deshalb war der Ausschuss absolut einig darin, dass wir JETZT diesen Antrag mit konkreten Maßnahmen beschließen wollen und nicht erst im Juni oder Juli, so dass quasi wieder ein Jahr vergangen ist, bis etwas wirkt

 [Zwischenruf von Uwe Schwalm an Thomas Nissen (SPD) bei der Debatte über den Insektenantrag (TOP 20)]: „Welchen Druck übst du auf deine Fraktion aus, dass die dir bei so einem Schwachsinn folgt?“ [Thomas N. hatte vorher – nicht zum ersten Mal – der CDU nahegelegt, sich dem immer stärker werdenden Würgegriff der Grünen zu entziehen]

Ich möchte zum Ende Professor Gerth zitieren:

·      Der Rückgang an Insektenmasse und deren Artenvielfalt lässt sich nur stoppen, wenn sich neben der Politik alle Bürger engagieren!

·      Alle Bereiche des Natur-, Umwelt- sowie Klimaschutzes können davon profitieren!

·      Die Probleme sind hinlänglich bekannt; jetzt fehlt es an der Umsetzung!

·      Auch kleine Dinge + Maßnahmen helfen!

Packen wir es an!

Persönliche Erklärung:

Weil dies gerade meine letzte Rede hier im Kreistag nach 10 Jahren als Abgeordnete und 5 Jahren als Ausschussvorsitzende war, möchte ich mir kurz Zeit für eine persönliche Erklärung nehmen.

Für mich waren es lehrreiche 10 Jahre, in denen ich gelernt habe, mich zu trauen, hier vorne zu sprechen und auch Sitzungen zu leiten, die nicht so ganz einfach waren – ich denke zum Beispiel an den Umweltausschuss in Westerhever zum Thema Gänse zurück.

Der Kreistag ist gelebte Demokratie und zeigt, dass es durchaus möglich ist, Themen zu setzen und im Kleinen und vor Ort Dinge zu verändern, wenn es gelingt, zu überzeugen und für Mehrheiten zu werben.

Für mich waren das in den letzten 10 Jahren vor allem Maßnahmen in den Bereichen Schutz und Integration von Geflüchteten und Naturschutz. Besonders gefreut hat es mich, wenn es, wie heute, gelingt, möglichst viele Fraktionen für ein gemeinsames Anliegen zu gewinnen.

Da es oft ja die kleinen Schritte sind, die Veränderungen mit sich bringen (wie ich eben schon sagte: Auch kleine Dinge + Maßnahmen helfen!), habe ich Ihnen zum Abschied viele kleine insektenfreundliche Blühstreifen mitgebracht – Samen, die jetzt bald gerne in die Erde sollen und Nordfriesland ein bisschen bunter machen. Greifen Sie zu.

Der Antrag wurde wie folgt einstimmig vom Kreistag Nordfriesland beschlossen:

Gemeinsamer Antrag von CDU, WG-NF, SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Linke:

Beratung und Beschlussfassung über insektenfreundliche Maßnahmen

in Nordfriesland

Der Kreistag möge beschließen:

Nachdem der Umwelt- und Energieausschuss sich intensiv mit dem Thema Insektensterben und seinen Ursachen, Folgen und Gegenmaßnahmen befasst hat, wird der Kreis Nordfriesland mit gutem Beispiel voran gehen. Gleichzeitig fordert er die Kommunen im Kreis auf, ebenfalls tätig zu werden und bittet auch die Bürgerinnen und Bürger, insektenfreundlich zu handeln.

Die Verwaltung wird gebeten, folgende konkreten Maßnahmen gegen das Insektensterben im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zu bearbeiten und möglichst rasch in Angriff zu nehmen:

  • Einberufung eines Runden Tisches mit Berufsstandesvertretung der Landwirtschaft, Naturschutzverbänden, des Imkerbundes, BürgermeisterInnen und AmtsvorsteherInnen in Zusammenarbeit mit der oder dem Beauftragten zum Nachhaltigkeitsvorhaben und dem oder der Beauftragten für Naturschutz
  • Bienen-Ausstellung des SHHB zu diesem Thema im Kreishaus
  • Beteiligung am Projekt „Schleswig-Holstein blüht auf“
  • Unterstützung von insektenfreundlichen Vertragsnaturschutzmodellen, z.B. durch Entwicklung von blütenreichem Grünland, durch die UNB
  • Überprüfung insektenfreundlicher Auflagen bei der Verpachtung von kreiseigenen Grundstücken
  • Förderung von Gründächern
  • B-Pläne mit Auflagen zur Biotopgestaltung
  • Erhöhung von Naturwaldanteilen und den Anteilen von Tot- und Altholz
  • Förderung von Waldwiesen, Waldrändern und Säumen
  • Artenfreundliches Flächenmanagement, ggf. mit Brachen und Sukzessionsflächen
  • Gehölzrückschnitte an Kreisstraßen nur im Sinne der Verkehrssicherheit
  • Baumpflege im öffentlichen Raum unter Erhaltung stehender Stammreste als Altholz
  • naturfreundliche Pflege des Straßenbegleitgrüns
  • Prüfung der Möglichkeit von Grünbrücken bei größeren Straßenbaumaßnahmen
  • Auf kreiseigenen Flächen/rundum kreiseigene Gebäuden:
    • Schaffung vom Blühflächen mit heimischen Pflanzen
    • Schaffung bunter Grünflächen
    • Wildkrautbekämpfung nur mechanisch oder thermisch
    • Mähen statt Mulchen
    • Pflanzung vorrangig von heimischen und insektenfreundlichen Gehölzen
    • Förderung von Obstwiesen, Blühpflanzen und insektenfreundlichen Stauden
    • Ansiedlung von Bienenvölkern
  • Informationsweitergabe über konkrete Maßnahmen (z.B. Blühstreifen, spätere Mahdzeitpunkte, Mähen statt Mulchen, Grünordnungspläne, Verzicht auf Laubsauger…) an BürgermeisterInnen und BehördenleiterInnen etwa bei Dienstversammlungen, sowohl mündlich als auch mit Broschüren