Rede zum Dringlichkeitsantrag der Verwaltung
Befristete Aufhebung der Haushaltssperre Kein Kind ohne Mahlzeit
zum Kreistag am 4.2.2011
Kerstin Mock-Hofeditz
Anrede,
wir danken der Verwaltung für diesen Dringlichkeitsantrag, der inhaltlich dem entspricht, was wir im Dezember mit der Haushaltssperre an diesem Punkt beabsichtigt hatten und was wir alle geahnt haben:
das so genannte „Bildungspaket“ der Sozialministerin von der Leyen hat den Bundesrat nicht passieren können, im Vermittlungsausschuss wird nun nachgebessert.
Die Verhandlungen, die im Vermittlungsausschuss jetzt über Essenszuschüsse, Zuschüsse für Nachhilfe, Hausaufgabenbetreuung, den Beitrag für den Sportverein und die Musikschule geführt werden, sind sinnvoll und richtig, aber auch beschämend für so ein reiches Land wie das unsere.
Auch wenn wir uns mehr und mehr daran gewöhnen, dass es hier bei uns Tafeln gibt, in denen bedürftige Menschen kostenlos mit Lebensmitteln versorgt werden und dass es eine Initiative geben muss, damit alle Kinder eine warme Mahlzeit erhalten – beides Maßnahmen, die man vor 10 Jahren noch für unnötig und übertrieben gehalten hätte, man hätte sie in der Nachkriegszeit oder einem Schwellenland vermutet – diese Armut ist für unsere Gesellschaft beschämend.
Es muss zentrale Aufgabe von Politik sein, Armut zu bekämpfen und allen Menschen gleiche Teilhabechancen zu ermöglichen. Es ist deshalb umso erschreckender, dass die Bundesrepublik im Vergleich der OECD-Staaten sehr schlecht abschneidet. Gerade in Bereichen wie Zugang zur Bildung oder Kinderarmut ist Deutschland auf einem der hintersten Plätze wieder zu finden. Die geringste Kinderarmut und den besten Zugang zu Bildung gibt es laut Statistik in Dänemark, Schweden und Norwegen.
In Deutschland leidet jedes neunte Kind unter Armut, in Schleswig-Holstein jedes siebte, in Städten wie Kiel jedes dritte. Und in einigen Stadtteilen sogar über 50 Prozent. In Dänemark leben hingegen nur 2,7 Prozent aller Kinder in Armut. Das sollte uns allen zu denken geben.
Die Schere zwischen Arm und Reich klafft in unserer Gesellschaft immer weiter auseinander. Laut Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung gibt es immer mehr Menschen, die zur Gruppe der Armen gehören, zusätzlich besitzen die Armen in dieser Gesellschaft immer weniger. Währenddessen steigt auch die Gruppe der Wohlhabenden.
Ich schäme mich, weil wir es immer noch nicht schaffen, Menschen, die 40 Stunden und mehr in der Woche und mehr arbeiten, einen Lohn zu bezahlen, von dem sie und ihre Familien in Würde leben können. Alleinerziehende Mütter und Väter haben oft gar nicht den Hauch einer Chance, ihren Lebensunterhalt und den ihrer Kinder zu verdienen, weil die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt einerseits und in der Kinderbetreuung andererseits so gestaltet sind, das beides nicht unter einen Hut zu bekommen ist.
Ich bin überzeugt, wir wären als Gesellschaft ein ganzes Stück weiter, gäbe es wenigstens einen flächendeckenden Mindestlohn oder viel besser noch ein ausreichendes bedingungsloses Grundeinkommen. Wäre dies der Fall, müssten wir hier nicht darüber beraten, woher welche Euros und welche 50 Cent für ein warmes Mittagessen kommen.
Natürlich stimmt unsere Fraktion dem Dringlichkeitsantrag der Verwaltung und dem Änderungsantrag der SPD zu.