Angelika zur Kündigung des Vertrages mit dem Landestheater

TOP 12: Beratung und Beschlussfassung über die vorsorgliche Kündigung der Beteiligung des Kreises Nordfriesland an der Landestheater und Sinfonieorchester GmbH

Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Damen und Herren,

manchmal scheinen  sich  leider Klischees zu bewahrheiten. Z.B. das Klischee, dass  Kulturpolitik und Finanzpolitik sich eher fremd sind, man sich  nicht immer versteht, weil die einen eher rational, die anderen eher emotional denken.
Da stehen sich harte und weiche Währungen gegenüber  und es stellt sich die Frage, welche Währung die wertvollere ist.
Auch bei uns Grünen sind wir in dieser Frage nicht einig.

Für eine Kündigung werden finanzielle Gründe genannt. Das heißt, und  das ist mir in dieser Diskussion besonders wichtig, es geht hier nicht um Inhalte, sondern allein ums Geld. Nun kann man die Finanzen natürlich nicht missachten.  Doch ich werde immer skeptisch, wenn die Inhalte in der Konsolidierungsdiskussion durch eine reine Finanzdebatte verdrängt werden. Dann  kann es nämlich schnell dazu kommen, dass der Preis, den man im Endeffekt zahlt, höher ist als der Gewinn und dadurch deutlich zu hoch ausfällt.

In der Vorlage wird denn auch explizit gesagt, dass der Vorschlag zur Kündigung  keine qualitative Bewertung des LT sei. Das wäre auch schlecht möglich, da das LT in den letzten Jahren mit Neuinszenierungen in allen Sparten regelmäßig Erfolge feiert.

Auch die Organisationsstruktur wird nicht kritisiert. Das Landestheater wurde gerade von einem erfahrenen Gutachter auf Herz und Nieren geprüft und erhielt gute Noten.

Dies wird auch durch das Ergebnis der laufenden Spielzeit bewiesen: Ein  schon vom Gutachter eingerechnetes  Defizit von gut 800.000 Euro konnte vermieden werden.
 
Aus rein finanziellen Gründen also würde der Kreis NF sich aus einer erfolgreich arbeitenden Institution zurückziehen.

Klammer auf: Wobei sich mir als Nicht -Finanzmensch kaum erschließt, was uns eine Kündigung, die erst in vier Jahren zu Einsparungen führt, in der momentanen schlechten Finanzlage nützt. Klammer zu.

Wir sprechen von einer Institutionen, deren Zielsetzung es ist, bestimmte kulturelle Erlebnisse in strukturschwache Gegenden zu bringen. In Regionen wie unserem Nordfriesland. Nun könnte man einwenden, wir drehen das einfach um: Wir bringen nicht die Kultur zu den Menschen, sondern die Menschen zur Kultur, indem wir kostenlose Transporte zu den großen Spielstätten einrichten. Dagegen spricht der demographische Wandel, der – wie uns allen wohl bekannt- besonders NF betrifft. Im Alter werden die Menschen immobiler: 40 km Entfernung vom Wohnort gilt als Schmerzgrenze, über die hinaus mit zunehmendem Alter immer seltener ein Ort der Kultur aufgesucht wird. Mit jedem Transport von Niebüll nach FL oder von Tönning nach Schleswig wird also diese Schmerzgrenze überschritten.

Was würde ein Ausstieg demzufolge für NF bedeuten: Wir wären noch ein Stückchen weiter abgeschnitten, noch ein bisschen mehr Provinz. Wollen wir diese Entwicklung wirklich?

Wir nehmen nicht nur uns, sondern auch der nachkommenden Generation eine Chance auf diese Art von Kultur, die in Deutschland eine lange Tradition hat und deren Weitergabe zu unserem Bildungsauftrag gehört , wie auch der Brief der Husumer Schulleiter bestätigt.

Aber es geht ja nicht nur um Nordfriesland:
Wenn wir jetzt kündigen, nehmen wir  in der gegenwärtigen Situation nicht nur in Kauf, dass das Landestheater in  NF keine Spielstätten mehr hat, sondern  dass es insgesamt in Existenzgefahr gerät.

Eine mögliche  Zukunftsvision wäre, dass der echte Norden 🙂  ohne traditionelles Sprech- und Musiktheater dastände.  Die Fläche bliebe diesbezüglich leer und es ist eine Milchmädchenrechnung zu glauben, man könne eine ähnlich gute Qualität, wie das Landestheater sie bietet, für deutlich weniger Geld auf dem freien Markt ins NCC holen.
Hoffen wir aber insgeheim darauf, dass das Landestheater trotz Kündigungen weiterbesteht und wir dadurch zumindest in FL oder Schleswig eine Spielstätte in erreichbarer Nähe hätten, dann schmarotzen wir und lassen von anderen die Rechnung zahlen.
 ganz einfach eine Chance auf diese Art von Kultur, die in Deutschland eine lange Tradition hat.

Ich kann mich insgesamt des Eindrucks nicht erwehren, dass mit der Kündigung auch oder sogar insbesondere mit der Landesregierung abgerechnet werden soll. Ein Protest gegen die Neuordnung des FAG! Wenn wir jetzt der von der Landesregierung verursachten Finanznot nachgeben, indem wir Dinge aus NF entfernen, die das Leben lebenswerter machen, hieße dies für mich, dass die falschen Menschen die  Zeche bezahlen.

Lassen Sie uns dort, wo wir noch ein Mitsprachrecht haben, verhindern, dass NF noch weiter als bisher sinnbildlich an den Rand der Republik gedrängt wird.

Abstimmung: alle 5 Grünen gegen die Kündigung, Pirat Timo Ploog enthält sich