Uwes Rede zur Eilentscheidung des Landrates zur Oberstufe in tönning

Liebe SPD, ihr habt ja ’n ganz schönen Lauf grade. Auf allen Ebenen. Nicht schlecht! Man könnte meinen, dass ihr alle Wahlen der letzten Zeit haushoch gewonnen habt. Da kann ich einen gewissen Respekt nicht verhehlen. Das macht ihr ganz geschickt!

Inhaltlich bleibe ich allerdings dabei: Eure Tönning-Entscheidung ist politisch unklug und für die Schulentwicklung Gesamteiderstedts verheerend.
Dabei bin ich nicht gegen Gemeinschaftsschulen und auch nicht gegen Oberstufen an Gemeinschaftsschulen – auch wenn ich ’n paar Probleme damit hab’, dass mit der vorhandenen Zahl und Ausbildung der Lehrkräfte die Ziele in Bezug auf Differenzierung und Inklusion erreichbar sind. Aber ich bin grundsätzlich für Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe —— allerdings an diesem Standort und zu dieser Zeit ist die Einrichtung hochriskant. Und ich weiß, wovon ich rede. Zusätzlich zum Aspekt der Schulentwicklungsplanung setzt ihr ohne große Not Millionenbeträge, die in den Gebäuden stecken und wenn es glimpflich ausgeht viele Dutzend von bis dahin sicheren und auskömmlichen Arbeitsplätzen auf’s Spiel.
Im Internat allein arbeiten derzeit:

12 (Vollzeit-)Erzieher,

4 (Vollzeit-)Handwerker,

7 (Vollzeit-) Verwaltungsmitarbeiterinnen,

10 (überwiegend Teilzeit-) Reinigungskräfte,

3 Gästehaus-Mitarbeiterinnen,

5 (Vollzeit-)Köche,

3 festangestellte (Teilzeit-) Förderlehrer,

6 Teilzeit-Nachtschwestern,

3 FSJ-Jugendliche,              

2 Azubis; in Teilzeit

außerdem: Förderlehrer, Sportlehrer, eine Diabetes-Beraterin und ein Diabetesarzt.


Das nur beispielhaft ein Teil der möglichen – sicher nicht beabsichtigten – Konsequenzen, denn wenn das riskante Experiment schief geht, ist das Internat weg.


Für mich ist klar: Die Entscheidung zur Einrichtung der Oberstufe ist fach- und sachfremd motiviert getroffen worden und gefährdet in hohem Maße eine funktionierende und für die Region wichtige Schule plus ein Internat.

Und das ist unter den Fachleuten von Kreis und Ministerium auch unumstritten. Die Kreisstellungnahmen haben wir schriftlich, sie sind eindeutig. Aus dem Ministerium hieß es vor 5 Wochen noch: Keine Gefahr, da passiert nix, sämtliche Zahlen sprechen dagegen. Und zwar weiß ich das aus 2 unterschiedlichen Kanälen, einem Schulkanal und einem politischen Kanal, zweimal eine fast identische Aussage, leider nicht öffentlich, und bei der Brisanz, die das Ganze jetzt gekriegt hat, will es auch nicht mehr gesagt worden sein, bzw. darf ich Name – Datum – Uhrzeit nicht mehr nennen.

Dann vor 3 ½ Wochen bei erneuter Rückfrage plötzlich die Abschwächung: Die Sache wird gerade neu intensiv diskutiert und ist noch nicht entscheidungsreif! Inzwischen hat ein massiver Einfluss aller Parteiebenen der SPD auf die Fachabteilung stattgefunden und dann ist das dabei herausgekommen, was der Schulverbandsvorsteher von Eiderstedt, Herr Balsmeier, nüchtern kennzeichnet mit „Es ist politisch entschieden worden, nicht sachlich und fachlich“. Aber so ist manchmal Politik, „leider“ muss ich an dieser Stelle sagen. Der Schulverband erwägt gegen die Entscheidung zu klagen um zu retten was noch zu retten ist.

Wie geht’s dir eigentlich mit diesen Widersprüchen in der Politik, Siegfried (Puschmann)? Du bist in dieser Sache doch auch vom Fach. Schwer auszuhalten manchmal, oder?   
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(Wolltest bestimmt früher Schauspieler werden – da wärst du auch groß rausgekommen, glaub ich – hast viele Talente).

Aber so’n bisschen kann ich die SPD sogar versteh’n:
So lange in der Versenkung verschwunden, jetzt auf allen Ebenen die unerwartete Chance mal wieder richtig zuzulangen – das geht zwangsläufig bisweilen auf Kosten von Besonnenheit und Vernunft.

Die Grünen im Land tragen den neuen schulpolitischen Kurs ja weitgehend mit – sind aber über diesen konkreten Fall ziemlich entsetzt – werden das allerdings wahrscheinlich auch nicht öffentlich sagen und werden am Ende die Entscheidung wohl zähneknirschend mittragen (knappe Mehrheit – das große Ganze soll nicht gefährdet werden), genauso wie am Ende der SSW trotz Uli’s (Stellfeld-Petersen) dicker Backen das neue FAG auch mittragen wird. So ist Politik eben manchmal. „Leider“ hatte ich schon gesagt.

Nun noch mal konkret: Wenn die Oberstufe in St. Peter nicht mehr die nötigen Zahlen erreicht – was viele Sachkundige voraussagen – dann ist das Nordseeinternat weg und dann ist das Gymnasium weg, mit den erwartbaren Konsequenzen u. a. auch für den Klinikstandort St. Peter-Ording (kein Abi in St. Peter – keine Ärzte mit Kindern, das ist so einfach wie sicher).Die übrig bleibende Gemeinschaftsschule wird dann wohl das alte – komplett sanierte – ehemalige Regionalschulgebäude am Marktplatz nutzen, da das sonst gänzlich unverkäuflich wäre.
Das ehemalige Gymnasiumsgebäude – auch grade für 8 Mio Euro saniert und angebaut -, das in den Böhler Dünen liegt, kann vielleicht noch für ’n Appel und ’n Ei von einem der umliegenden Kinderheime mitgenutzt werden, deren Frequentierung allerdings derzeit auch stark rückläufig ist. Oder ihr fangt schon mal an, Gründe für permanente Ausnahmegenehmigungen für die Nordseeschule in St. Peter zu formulieren, weil bei einer Schließung zu offensichtlich wäre, dass die SPD diese Schule samt Internat auf dem Gewissen hat. Diese Gründe sollten dann aber möglichst von anderen gefährdeten Standorten akzeptiert werden können, sonst ist neuer landesweiter Dauerstreit im Schulbereich vorprogrammiert.
Das wäre aber höchstens noch ein Weg mit einigermaßen Gesichtswahrung da rauszukommen, ansonsten bleibt euch nur die Hoffnung, dass die 3jährige Probezeit für Tönning in die Hose geht.

Zum Schluss noch was Versöhnliches: Vielleicht habt ihr aber ja auch noch ein bisschen länger so viel Glück wie in letzter Zeit, dann nehme ich einen Teil von dem, was ich jetzt gesagt hab’,
auch gerne wieder zurück. (Ich hab’ allerdings so’ne leise Ahnung, dass eure Glückssträhne in Teilen schon wieder zu Ende ist).

Wir unterstützen die Eilentscheidung des Landrats.

Uwe Schwalm, Vorsitzender grüne Fraktion und 3. stellv. Landrat