Rede zur Entschädigung von Gänsefraß 27. Mai 2011 Rede Kerstin Mock-Hofeditz Zum WG-NF Antrag „Resolution zu Gänsefraßentschädigung“ Im Kreistag am 27.5.2011 Vielen Dank an die Wählergemeinschaft für diesen Antrag. Von der Intention her ist er nicht verkehrt. Natürlich kann und darf es nicht sein, dass einzelne Landwirte alleine dafür aufkommen müssen, wenn wir als Gesellschaft unser Verpflichtung zum Erhalt und zum Schutz wandernder Tierarten nachkommen. Für viele Menschen ist das faszinierende Schauspiel des Gänsezuges beeindruckend, wenn sie die lauten und doch recht großen Tiere in dieser großen Zahl bei uns erleben und sich bewusst machen, dass diese wenige Wochen später in der sibirischen Tundra ihrem Brutgeschäft nachgehen werden. Gerade angesichts der Gänse wird die Bedeutung des Nationalparks als einem Trittstein im weltweiten Vogelzug sehr anschaulich. Ich habe mich gefreut, dass Ihr Antrag nicht darauf zielt, die Gänse zu vertreiben oder gar zu dezimieren und es auch nicht darum geht, die natürlichen Entwicklungen im Nationalpark für den Gänsefraß verantwortlich zu machen. Dennoch sind einige Behauptungen in dem Antrag, die so nicht stimmen und die ich so nicht stehen lassen möchte. Gesprochen wird von Enten- und Gänseschäden. Fakt ist, dass Pfeifenten, wenn überhaupt, dann nur noch lokal eine Rolle spielen. Pfeifenten waren Hauptverursacher der Schäden bis Mitte der 90er Jahre. Seitdem den Winter 1995/96 weniger als die Hälfte der Population überlebt hat, werden kaum noch Schäden registriert. Ringelgänse zeigen schon lange keinen Populationsanstieg mehr. Sie sind zum allergrößten Anteil auf den Halligen und dort gibt es das Halligprogramm, das Schäden kompensiert. Die Nonnengans hingegen hat tatsächlich eine stetig steigende Populationsgröße und hat sich set den 80er Jahren bis heute verzehnfacht. Infolge dessen sind die Gänse auch vermehrt auf landwirtschaftlichen Kulturen anzutreffen. Dann wird im Antrag behauptet, die Gänse würden Krankheiten übertragen, die Vogelgrippe ist genannt. Mit Verlaub: das ist Panikmache! In Schweden und den Niederlanden sind über 8 Jahre knapp 37.000 frei lebende Enten, Gänse und andere Wasservögel auf Influenzaviren untersucht worden, es wurden keine H5N1-Viren gefunden. Auch Untersuchungen an Gänsen in unserem Überwinterungsraum haben gezeigt, dass keine gesundheitsgefährdende Keime übertragen werden. Weiterhin wird behauptet, dass in den Niederlanden keine Bejagung erfolgen würde. Auch dies stimmt so nicht – einer der führenden holländischen Gänseforscher, Dr. Bart Ebbinge bestätigte, dass auch in den Niederlanden jedes Jahr tausende von Gänsen geschossen werden (das heißt dann eben offiziell nicht Jagd, sondern “Erschrecken mit eingeschränkter Verwendung von Schrotflinten“ ). Zur Problematik der Entschädigungen: Ja, es wäre schön, es gäbe mehr Geld. Doch es braucht auch sinnvolle, praktikable und gerechte Lösungen. Denn man darf nicht vergessen: Gänse sind schlau und lernfähig – sie haben als Zugvögel ausreichende Kenntnis von allen ihren Lebensräumen und sie sind so lernfähig, dass sie neue Gebiete leicht erschließen. Neu erlangtes Wissen wird zudem durch Tradition weitergegeben. Wie kann man denn weiterkommen? Wir halten den Vorschlag, aus der dänisch-deutsch-niederländischen Gänsearbeitsgrupps, der Naturschützer UND Bauernvertreter angehörten, für gut. Danach muss man stärker zwischen Gänsegebieten und Nicht-Gänsegebieten unterscheiden. – bei dem einen dürfen die Tiere sein, werden nicht vertrieben, und landwirtschaftliche Förderprogramme werden so gesteuert, dass dort entschädigt bzw. kompensiert wird –auf der anderen Seite müsste man die Gänse eher vergrämen, und Schäden werden nicht kompensiert. Gänse können so etwas lernen, das hat Lenkungswirkung, kostet am Ende für alle noch am wenigsten, und ist insgesamt eine nachhaltige Lösung. Natürlich müsste man sich einigen, was Gänsegebiete sind und was nicht. Man könnte alternativ versuchen, ohne Lenkung den tatsächlich durch Gänsefraß entstehenden Schaden zu ermitteln und zu entschädigen. Aber das dürfte schwierig und deutlich teurer werden, wenn man überhaupt einen europarechtskonformen Weg hierfür findet. Ich halte das Problem jedenfalls für recht komplex und beantrage, dass sich der Umwelt- und Agrarausschuss alsbald noch einmal mit dem Thema befasst und Expertenmeinung zu Rate zieht. Beziehungsweise unterstütze den entsprechenden Antrag der SPD. Hier heute eine Resolution zu verabschieden, die fehlerhaft ist und die undifferenziert einfach nur mehr Geld fordert, halte ich für wenig zielführend.