Rede zum Migrantinnen-Antrag zum TOP 14

Rede von Kerstin Mock-Hofeditz zur Antzragseinbringung von TOP 14 „Verbesserung der Situation von MigrantInnen“

Der Kreis Nordfriesland möchte allen hier lebenden Menschen weiterhin ein Klima der Weltoffenheit und Toleranz bieten. Um dies zu fördern, werden verschiedene Maßnahmen ergriffen bzw. unterstützt:

Die strategischen Ziele des Kreises Nordfriesland werden um einen eigenen Punkt ergänzt, der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund als Querschnittsaufgabe verankert.

 Es soll weiterhin folgendes im Hauptausschuss beraten werden:

  1. Ein kreisweiter, multiethnischer Arbeitskreis wird etabliert, der sich mit Maßnahmen zur Verbesserung des gesamtgesellschaftlichen Klimas und entsprechenden strukturellen Veränderungen hinsichtlich eines gleichberechtigten Zugangs zu gesellschaftlichen Ressourcen im öffentlichen Raum befasst. Hierbei ist uns der Punkt „multi-ethnisch“ besonders wichtig, weil Betroffene sehr oft einen anderen Blick auf Zustände haben als Nicht-Betroffene.
  2. Bereits bestehende Initiativen, wie zum Beispiel „Region schafft Zukunft“, werden um den Aspekt der Integration von MigrantInnen erweitert. Gerade bei „Region schafft Zukunft  gibt es starke Berührungspunkte, denn ältere Migranten und Migrantinnen werden in einigen Jahren Teil unserer Gesellschaft sein. Es gibt mit Sicherheit eine Zahl anderer Initiativen, bei denen das Thema Integration eine Rolle spielen kann und sollte, etwa im Bildungsbereich oder im Bereich Ehrenamt und Partizipation.
  3. Politik und Verwaltung treffen umfassende Maßnahmen, um Zugangsbarrieren für Migranten abzubauen, z.B. bei Stellenbesetzungen. Eine besondere Verantwortung liegt hier bei der Ausländerbehörde, die sich als Integrationsbehörde verstehen sollte.

Der Punkt 1. ist bei der nächsten Fortschreibung der strategischen Ziele zu berücksichtigen. Dies hätten wir heute gerne im Grundsatz so beschlossen. Über die Formulierung wird dann im Zuge der Fortschreibung diskutiert werden.

Die Ausgestaltung der Punkte 2 – 4 ist erst mal im Hauptausschuss zu beraten. Da gibt es sicher noch Diskussionsbedarf, wie was ausgestaltet wird und wie etwas laufen kann, deshalb bitten wir um die weitere Diskussion in diesem hoch angesiedelten  Gremium. Gleichzeitig muss aber klar sein, dass das nicht einfach in der Schublade verschwinden darf.

Und damit möchte ich mit der Fraktionsstellungnahme beginnen.

Grundlage unseres Antrages ist der Migrantinnenbericht, der noch von Frau Boyer als GB in Auftrag gegeben wurde um speziell die Situation der Frauen, die aus anderen Ländern nach Nordfriesland gekommen sind, unter die Lupe zu nehme. Dieser wurde nun unter Frau Ehlers Federführung von Frau Marianne Carstensen erstellt, wo für ich allen drei Frauen sehr herzlich danken möchte.

Letzten Freitag wurde der Bericht der Öffentlichkeit vorgestellt. Es war tatsächlich eine der beeindruckendsten Veranstaltungen, die ich bislang hier in NF erlebt. Die Aula der VHS platzte aus allen Nähten, es war richtig voll und das Publikum war nicht das, was man sonst erlebt, wenn der Kreis einlädt. Es war einige ganz große Vielfalt von Menschen unterschiedlichster Hautfarbe und Herkunft. Es waren Menschen aus 16 Nationen anwesend – mich hat das sehr beeindruckt, was alleine das an Vielfalt mit sich brachte, wenn man bedenkt, dass in NF Menschen aus 129 Nationen leben.

An dem Abend war zu spüren, wie wichtig ist es den MigrantInnen war, dort Gehör zu finden und auch Kontakt zu suchen. Im Podium saß unter anderem eine junge türkische Kurdin, deren Eltern in den 80er Jahren nach Deutschland geflüchtet sind. Sie selber gehört der 2. Generation an, spricht Deutsch wie jede von uns und ist ganz so wie viele junge selbstbewusste Frauen. Aber selbst sie sagt, sie fühle sich nicht integriert, weil sie selbst und ihre Kinder immer wieder mehr oder minder offene Ablehnung spüren auf Grund ihres „dunklen“ Aussehens. Das sind Menschen, die hier zuhause sind – der einzige Unterschied ist, dass die Großeltern der Kinder als Flüchtlinge vor 30 Jahren hier her kamen.

Ein Punkt, der an dem Abend immer wieder angesprochen wurde, ist, dass es an Begegnung mit Deutschen mangelt. Daran, sich kennen zu lernen, Fragen zu stellen, übereinander zu lernen. In den Handlungsempfehlungen von Frau Carstensen ist von der Schaffung internationaler Begegnungsräume die Rede. Es wäre schön und wichtig, wenn es diese an verschiedenen Stellen des Kreises gäbe.

Wichtig dabei ist mir, dass es dabei kein „oben“ und „unten“ gibt, sondern dass es für beide Seiten ganz viel Neues, Spannendes geben kann in diesen Begegnungen. Es ist manchmal von einem Paten- oder Lotsensystem die Rede. Dies hat sicher eine Menge Vorteile, wenn jemand da ist, der einem die neuen Lebensumstände in einer fremden Kultur nahe bringt.

Auf der Veranstaltung sagte etwa eine Pakistani, dass das Verhalten bei einer Beerdigung hier ein völlig anderes sei als in ihrer Heimat und dass sie gerne jemanden gehabt hätte, den sie vor ihrem ersten Besuch auf einer deutschen Beisetzung gefragt hätte, wie es hier läuft. Ich denke, als Rheinländerin in Nordfriesland kann ich das ein ganz kleines bisschen nachempfinden, denn auch da gibt es durchaus kulturelle Unterschiede, wenn ich an meine erste Eiderstedter Kaffeetafel denke.

Zurück zum Patensystem: das hat viele Vorteile, aber es darf nicht in einem Lehrer-Schüler-Verhältnis stecken bleiben, es muss zu einem gleichwertigen Austausch kommen.

Ein weiterer Punkt, der ganz oben ansteht, ist der Spracherwerb. Ohne ausreichende Deutschkenntnisse geht gar nichts. In Husum scheint das Angebot recht gut zu sein, auch wenn die Anforderungen immer komplexer werden, da es immer mehr so ist, dass in den Kursen Menschen unterschiedlichster Herkunftsländer und unterschiedlichstem Bildungsstandes gemeinsam unterrichtet werden. Schwierig ist es naturgemäß für diejenigen Deutsch-Schüler und Schülerinnen, die nicht in der Kreisstadt leben und häufig auf den ÖPNV nach Husum angewiesen sind.

Problematisch ist die Bildungssituation. Ich bin sicher, dass die Schulabschlüsse von Migrantenkindern in Nordfriesland schlechter sind als die von nicht Migranten. In der Grundschule ist der Migrantenanteil relativ hoch, an den Gymnasien ist er verschwindend gering,

Ein weiteres Problem sind fehlende Dolmetscher, insbesondere für Arztbesuche. Viele, gerade von den Flüchtlingen, sind krank auf Grund ihrer Lebensgeschichte und brauchen medizinische und psychologische Hilfe.

Schwierig und mit großen Mühen verbunden ist häufig auch die Anerkennung von Schul-, Berufs- und Studienabschlüssen.

Sie sehen, die Probleme sind vielfältig und gerade in einem Flächenkreis mit einem trotz aller beeindruckenden Zahlen eher geringem Migrantinnenanteil nicht einfach zu lösen.

Wir möchten mit unserem Antrag zum einen erreichen, dass konkrete Lösungen für konkrete Probleme gefunden werden und dass wir uns der Begegnung auf Augenhöhe, die so sehr gewünscht wird, nicht länger verschließen, sondern hierfür Rahmenbedingungen schaffen und selber auch offener werden.

Zum anderen soll der Antrag aber gerade durch die Aufnahme des Punktes Integration in die Ziele des Kreises Nordfriesland dazu beitragen, dass Integration als Querschnittsaufgabe begriffen wird. Das kann natürlich nur der erste Schritt sein, dem weitere folgen müssen, aber wir entsprechen hiermit dem nationalen Integrationsplan der Bundesregierung und der Bundesländer. Denn mit ihm soll Integration als Querschnittsaufgabe in den Kommunen verankert werden, die kommunalen Verwaltungen sollen sich interkulturell öffnen und integrationspolitische Maßnahmen sollen evaluiert werden.

Wenn man den Nationalen Integrationsplan umsetzen will, braucht dies unter anderem eine Lenkungsgruppe. Alle Fachleute für den Nationalen Integrationsplan sind der Ansicht, dass Migrantinnen und Migranten in dieser Lenkungsgruppe vertreten sein sollten. Dort kann dann mit Politik und Verwaltung beraten werden,  in welchen Bereichen ein Arbeitskreise sinnvoll sein könnte.

Wir befinden uns mit unserem Antrag also auf einem Weg, auf dem auch Bundes- und Landesregierung uns sehen wollen und auf dem wir keineswegs alleine sind.

Ich bitte um Ihre Zustimmung.