Rede zum Hebammen-Antrag der WG-NF zum TOP 16

Rede zum TOP 16 Hebammen-Unterstützung

im Kreistag am 1.4.11

von Kerstin Mock-Hofeditz

Schwangerschaft ist keine Krankheit und Geburt keine Operation. Schwangerschaft und Geburt sind natürliche Vorgänge. So einfach ist das. Geburten müssen nicht in hoch spezialisierten Kliniken unter Einsatz von Narkose und technischen Apparaten durchgeführt werden. Das ist bei einer normal verlaufenden Schwangerschaft nicht erforderlich. Die Entwicklungen in der Geburtshilfe und der Schwangerenbetreuung, die zu mehr Sicherheit für Mutter und Kind geführt haben, sind gut und richtig.

Wir können uns glücklich schätzen, dass die Säuglings- und Müttersterblichkeit in Deutschland kontinuierlich und deutlich gesunken ist. Trotzdem – nicht jede Schwangerschaft ist risikobehaftet, nicht jede Geburt muss eingeleitet und nicht jedes Kind muss per Kaiserschnitt entbunden werden.

Es ist richtig, Eltern über alle Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik, Schwangerschaftsbegleitung und Geburtshilfe aufzuklären. Wer sich zu Hause oder im Geburtshaus besser aufgehoben fühlt, dem soll diese Möglichkeit offen stehen.

Wählen kann allerdings nur, wer Alternativen hat. Das ist der Kern des Problems. Die freiberufliche Geburtshilfe ist in ihrer Substanz gefährdet. Wir steuern auf das bittere Ende der freien Hebammen zu. Die Gebühren, die eine freie Hebamme für ihre Dienstleistungen bekommt, sind mager. Sie erhält für eine Hausgeburt 548,80 Euro, nachts oder Wochenende 658,56 Euro. Eine normale Klinikgeburt kostet die Krankenkasse 2405 Euro. Für potentielle Risiken muss die freiberufliche Hebamme – anders als in der Klinik – allein gerade stehen. Deshalb ist für sie eine Haftpflichtversicherung unverzichtbar.

Bundesweit gibt es nur noch fünf Versicherungsunternehmen, die Hebammen in der Geburtshilfe versichern. Die Haftpflichtgebühren sollen deutlich steigen. Aktuell läuft hierzu ein Schiedsstellenverfahren. 500 der bundesweit 4.000 Hebammen, die Geburten begleiten, haben ihren Rückzug aus dem ambulanten Bereich angekündigt. Auch in Nordfriesland ist das deutlich zu bemerken, es gibt nur noch eine Handvoll geburtsbegleitender Hebammen, es sind offenbar noch weniger als die angegebenen 10.

Im Moment sind es noch genau 3 Hebammen in Nordfriesland, die Hausgeburten anbieten. Viel zu wenige – es gibt Frauen, die zu hause entbinden möchten, aber es nicht können, weil sie keine Hebamme haben.

Denn  diejenigen Hebammen, die ausschließlich Hausgeburten begleiten und nicht auch Beleghebammen an einem Krankenhaus sind, können sich das schlichtweg nicht leisten. Beleghebammen sind zwar auch freiberuflich versichert, betreuen aber eine Vielzahl an Geburten pro Jahr- rechnen wir mal mit 20- 30 Geburten pro Jahr, mal ca. 250 Euro =  sind 5000 bis 7500 Euro.
Hausgeburten  gibt es ca 5- 10 pro Jahr, sind maximal 2500 Euro, aber beide bezahlen   3700 Euro Haftpflicht.

Schleswig-Holstein gehen die Kinder aus und diejenigen, die ihnen auf die Welt helfen, werden im Stich gelassen. Das dürfen wir nicht zulassen. Das würde bedeuten, dass Frauen künftig nicht mehr die freie Wahl über die Art der Geburt ihres Kindes haben. Ohne freiberufliche Hebammen wird es keine Belegentbindung, keine ambulante Entbindung in Geburtshäusern und keine Hausgeburten mehr geben. Was bleibt, ist die klassische Klinikentbindung. Nicht von allen gewünscht und auch noch teurer.

Damit würde unwiederbringlich ein Stück der jahrhundertealten Kultur und Kompetenz der Hebammen verloren gehen. Wir Grünen wollen, dass die freie Hebammentätigkeit erhalten bleibt.

Deshalb freue ich mich über die Aktivität des Kreises Nordfriesland. Ja, wir Grüne halten die freie Geburtshilfe für unverzichtbar. Ja, wir wollen sie in Schleswig-Holstein flächendeckend erhalten. Ja, wir sind der Meinung, dass Hebammen eine angemessene, eine höhere Vergütung ihrer Dienstleistungen bekommen müssen. Und allen Schwangeren müssen die gleichen Leistungen offen stehen. Unabhängig davon, ob sie gesetzlich oder privat krankenversichert sind. Das ist uns Grünen wichtig.

Wir  stimmen dem Antrag der Wählergemeinschaft zu, aber auch dem Änderungsantrag der CDU. Nach Rücksprache mit Hebammen ist deutlich, dass die eingestellten 20.000 Euro ausreichen werden.