Kerstin Mock-Hofeditz zur Unterstützung der Hebammen

Kerstin Mock-Hofeditz, Rede zu TOP 11 (Haushalt) im Kreistag am 23.3.2012

Ich denke, wir sind alle hier einig, was die große Bedeutung und die enorme Verantwortung angeht, den die Hebammen haben, deshalb will ich darauf gar nicht weiter eingehen.

Bitter ist, was diese Tätigkeit unserer Gesellschaft wert ist. Gerade mal 238 Euro – brutto – zahlen die Krankenkassen für eine Geburt. Die Tagesschau gibt auf ihrer Homepage 7,50 Euro als Stundenlohn für freiberufliche Hebammen an. Von diesem Geld müssen die 4.300 Euro Berufshaftpflicht pro Jahr bezahlt werden.
Wie ist die Situation hier bei uns? Es gibt gerade mal noch drei freiberufliche Hebammen, die ausschließlich Hausgeburten machen. Die meisten sind entweder zusätzlich oder ausschließlich Beleghebammen in den Kliniken, was aber nicht heißt, dass sie zwingend dort angestellt sind oder dass die Kliniken die Kosten für die Berufshaftpflicht übernehmen.
Die Kreissäle auf Sylt und in Niebüll werden von Beleghebammen betrieben. In Niebüll teilen sich fünf Beleghebammen in 12-Stunden-Schichten die Bereitschaft und die dort im Schnitt anfallenden 220 Geburten pro Jahr.  Die Klinik zahlt dafür 50 Euro pro 12-Stunden-Schicht, mehr nicht.
Für die Hebammen ist das kein rentables Geschäft:  220 Geburten durch 5 Hebammen gleich 44 Geburten,  44 Geburten mal 238 Euro ( BRUTTO!!!!) gleich 10472 Euro- nun ziehe davon mal 4300 Euro Berufshaftpflicht ab…..

6000 Euro für 30 Jahre Regresspflicht- Dauerrufbereitschaft und die Stunden an geleisteter Arbeit- da wird  Geburtshilfe zum  Hobby…… schließlich werden die 6000 Euro auch noch versteuert und es kommen Krankenkasse und Rentenversicherung hinzu.
Wie lange werden diese fünf Hebammen das noch machen?  Wenn das so nicht mehr geht, weil die Haftpflicht wieder steigt oder weil sie sich das nicht mehr zumuten wollen, dann haben wir im Bereich Südtondern keine Geburtshilfe mehr. Die Frauen müssen nach Flensburg, Husum oder Heide.
Bedeutet: die Wahlfreiheit, ob ich mein Kind zu Hause oder in der Klinik bekomme, ist heute schon in Nordfriesland weitgehend verloren. Man mag auf dem Standpunkt stehen, dass eine Hausgeburt nicht mehr in die heutige Zeit passt – man kann aber auch sehen, dass eine Hausgeburt mit einer erfahrenen Hebamme durchaus eine vernünftige und lebensnahe Alternative für Mutter und Kind ist.
Nachdem die Wahlfreiheit verloren ist, stehen wir jetzt aber auch in Gefahr, die geburtshilfliche Versorgung im ländlichen Raum zu verlieren, weil sich der Betrieb eines Kreißsaals unter den immer stringenteren Bedingungen bald tatsächlich nicht mehr lohnt.

Hier verliert eine Berufsgruppe den Kampf gegen eine andere, denn der Kuchen wird immer kleiner, es gibt immer weniger Kinder in Deutschland und die Kliniken kämpfen ohnehin ums Überleben, also brauchen wir möglichst viele Risikoschwangere und die dramatisch wachsende Zahl an Kaiserschnitten wundert auch niemanden mehr.
Deshalb muss sich Politik kümmern und muss Politik dafür sorgen, dass der Beruf der Hebamme erhalten bleibt. In anderen Ländern gilt bereits: Alles was schwanger ist gehört primär in Hebammenhand, bei Pathologie zum Arzt- das funktioniert etwa in den Niederlanden und bei unseren dänischen Nachbarn prima-  undbringt sensationelle Entlastung des Gesundheitsbudgets.


Dem Antrag, erneut 10.000 Euro bereitzustellen, um die gestiegenen Kosten bei der Haftpflicht vorübergehend auszugleichen, stimmen wir zu mit dem Zusatz, dass es einen Sperrvermerk gibt. Angeblich ist die Bundesregierung kurz davor, eine Lösung des Problems herbeizuführen. Wenn dem so ist, brauchen wir ggf. den Haushaltsposten nicht. Deshalb soll der Hauptausschuss die Situation Ende Mai erneut bewerten.