Aufruf zur Selbstjustiz

Die Grünen im Kreis Nordfriesland sehen den in der vergangenen Woche erfolgten Freispruch für den Norderfriedrichskooger Bürgermeister Jann-Henning Dircks durch das Amtsgericht Husum kritisch. 

Dircks war angezeigt worden, weil er im November 2020 ein Video  aufgenommen und in einer WhatsApp-Gruppe veröffentlicht hatte. Dies war schließlich an die Öffentlichkeit gelangt, in dem er in einem Aufruf an „jeden Landwirt“ in Schleswig-Holstein appelliert hatte, sich gegen die Tierschützer*innen zu wenden, die sich damals vor dem Schlachthof der Firma Tönnies in Kellinghusen angekettet hatten.

Die Husumer Nachrichten hatten zu Prozessbeginn ausführlicher aus dem  rund eineinhalb Minuten langen Video, das Dircks am 2.11.2020 ins Netz gestellt hat, zitiert: 

Dort sagte Dircks unter anderem: „Liebe Polizei, wir sind nicht eure Feinde, wir sind eure Freunde. Macht um elf Uhr Pause und wir regeln das.“ Die Landwirte forderte er auf: “Nehmt Vorschlaghammer, Akkuflex und Bolzenschneider mit. Und dann stehen wir zusammen, und dann lassen wir uns das nicht gefallen und dann ist es endlich mal gut in dieser Gesellschaft, in dieser Bananenrepublik.“ Die Polizei, so Dirks weiter, „guckt bloß zu, ist machtlos – sie dürfen ja keine Leute verletzen.“

Die Grüne Kreisverbandssprecherin Kerstin Mock-Hofeditz sagt dazu: „Auch wenn wir die Unabhängigkeit des Gerichts selbstverständlich akzeptieren, befremdet uns dieser Freispruch. Immerhin ruft dort ein Bürgermeister, also ein gewählter Repräsentant unseres demokratischen Systems, dazu auf, sich über die Polizei zu stellen und das Problem, dass sich Menschen angekettet und den Zugang zum Schlachthof blockiert haben, in die eigenen Hände zu nehmen. Dies ist in unseren Augen ein Aufruf zur Selbstjustiz. Gerade einem Bürgermeister darf so etwas nicht passieren. Wir würden es begrüßen, wenn die Staatsanwaltschaft, die in dem Sachverhalt ja auch eine öffentliche Aufforderung zu einer Straftat nach §111 des Strafgesetzbuches sieht, die Möglichkeit zur Revision nutzen würde.“

Aber auch unabhängig von der Frage der Strafbarkeit stellt der Aufruf nach Auffassung der Grünen in Nordfriesland das staatliche Gewaltmonopol in Frage. Das sei insbesondere durch  Repräsentanten des Staates, einen gewählten Bürgermeister, nicht hinnehmbar.

Die grüne Landtagsabgeordnete Silke Backsen von Pellworm, ergänzt: „Inhaltlich ging es bei den Protesten der  Aktivist*innen seinerzeit darum, sowohl gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen auf Schlachthöfen als auch gegen industrielle Tierhaltung zu protestierten. Wir Grüne setzen uns schon lange dafür ein, quer durch alle landwirtschaftlichen Branchen das Tierwohl zu verbessern, das immer noch nicht überall einen hohen Stellenwert hat. Tiere leiden nach wie vor viel zu oft sowohl in der Produktion, der Zucht, auf langen Transportwegen als auch bei der Schlachtung.

Aus Sicht des Klima- und Gewässerschutzes ist darüber hinaus eine Verringerung der gehaltenen Tiere pro Flächeneinheit und ein deutlich verringerter Fleischkonsum dringend notwendig. User Ziel ist ein nachhaltiger Umbau der Landwirtschaft und ein Dialog mit den Akteur*innenen – sowohl auf Seiten der Landwirtschaft als auch im Tierschutz.“