Kerstin zum Antrag „Regionalanalyse zum Rechtsextremismus in SH befassen“

Rechtsextremismus-Antrag zum Kreistag am 15.7.16

Begründung der Dringlichkeit

Es geht um eine Studie, Regionalanalysen zum  Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein, die das Psychologische Institut der  CAU im Auftrag des Rates für Kriminalitstätsverhütung durchgeführt und jetzt vorgestellt hat. Autoren sind Prof. Dr. Thomas Bliesener und die Dipl.-Psych. Petra Maresch.

Und um das gleich vorwegzunehmen: selbstverständlich  würde man sich auch gegen deutlich undemokratische Aussagen von links positionieren. Wobei man sagen muss, dass bei der „politisch motivierten Kriminalität“, die der Verfassungsschutz explizit unterscheidet, im Zeitraum 2001-2015 die links extremistischen Taten durchweg bei unter 100 pro Jahrlagen und seit 2012 noch mal massiv abgenommen haben und zwischen 10 und 20 pro Jahr liegen. Die Hasskriminalität von rechts lag 2015 bei knapp 1000 Taten. Um da mal die Dimensionen zu nennen.

Und es ist  so, dass  nach allen Untersuchungen die Zahl der rassistischen und rechtsextremistischen Gewalttaten bundesweit  im ersten Halbjahr 2016 erneut und zum wiederholten Male zugenommen hat. Jüngster Fall; die auf offener Straße zusammengeschlagene Muslima mit Kopftuch in Kiel.

Es ist also dringlich, sich zu befassen.

Die Studie wurde Ende Juni veröffentlicht und ging durch die Medien – unser Kreis einer der Hauptbetroffenen. Wir sind also gefordert, uns mit den Ergebnissen zu befassen. Beschließen wir heute eine Überweisung in den Jugendhilfeausschuss wäre eine Befassung auf dessen Sitzung am 22.9. denkbar. Beschließen wir heute nicht, sondern erst bei der nächsten Kreistagssitzung verschiebt sich die Befassung mit der Studie auf frühestens November.

Das ist uns zu spät – die Ergebnisse der Studie sind zu  brisant, um zu lange abzuwarten. Auch im gesellschaftlichen Kontext, da insgesamt die Hemmschwelle für Hass, Hetze und Gewalt sinkt.

Antragseinbringung:

Der Kreistag beauftragt den Jugendhilfeausschuss unter Beteiligung des Kultur- und Bildungsausschusses sich alsbald mit der Regionalstudie „Regionalanalysen zum Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein“ der Christian Albrechts Universität Kiel zu befassen.

Erschreckenderweise ist die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die rechtsextreme Ansichten haben, im Landgerichtsbezirk Flensburg (Kreise NF und SL-FL sowie Stadt Flensburg) mit 12% im Landesvergleich besonders hoch. Diese negativen Entwicklungen müssen wir ernst nehmen, uns mit ihnen auseinandersetzen und ihnen etwas entgegensetzen.

Begründung:

Es ist erschreckend: wie gesagt 12% im Bezirk Flensburg teilen rechtsextremistische Aussagen, im Bezirk Itzehoe sind es nur 4%, in Lübeck 9% und in Kiel 7%. Die befragten Schüler kommen von allen allgemeinbildenden Schulen.

32% der Schülerinnen und Schüler bei uns sagen: „Wie in der Natur sollte sich auch in der Gesellschaft immer der Stärkere durchsetzen“, 22% meinen, dass die Weißen zu recht führend in der Welt seien.

Mehr als ein Drittel der befragten hiesigen Schülerinnen und Schüler stimmten dem Satz zu „die Deutschen sind anderen Völkern grundsätzlich überlegen.“, nur etwas weniger sind der Ansicht, Deutschland solle wieder die führende Rolle in der Welt übernehmen.

Rund ein Viertel der Jugendlichen sagt, dass es für sie bessere Staatsformen als die Demokratie denkbar sind, knapp 17% (in Itzehoe 9%) der Hiesigen sagt: Deutschland braucht wieder einen Führer.

Ebenso ist hier bei uns die Zustimmung zu antisemitischen und islamfeindlichen Äußerungen besonders hoch.

Ich finde, weitere Begründungen, sich mit der Studie befassen, braucht es nicht. Wir sollten uns die Ergebnisse genau ansehen, die Ursachen analysieren und mit den Schulen, aber dann auch mit den Jugendlichen in den Dialog gehen.

Fraktionsstellungnahme:

Das kann uns nicht egal sein. Rechtsextremistische Einstellungen bei Schülerinnen und Schülern sind ganz offensichtlich kein Minderheitenphänomen. Entscheidend scheint zu sein, wie Jugendliche in der Schule und in ihrem Umfeld Rassismus und Demokratie erleben und ob sie Kontakt zu einschlägigen Gruppen haben.

Wenn ein Viertel der nordfriesischen Jugendlichen sagt, es fühle sich durch die vielen Muslime hier manchmal wie ein Fremder im eigenen Land, dann kann ich das nur sehr schwer nachvollziehen, auch angesichts des nach wie vor relativ geringen Anteils von Migranten an der Bevölkerung. Es sind irrationale Ängste, die sich da zeigen.

Die Studie geht über die reine Beschreibung des Phänomens hinaus. So sind auch eine Reihe von Experten befragt worden, v.a. Lehrkräfte und Polizeibeamte, die fast durchweg eine Zunahme des Problems bescheinigen und mit denen Handlungsempfehlungen herausgearbeitet worden sind.

Darin steht beispielsweise, dass es dringend erforderlich ist, die gesellschaftliche Toleranz gegenüber Minderheiten zu stärken und das Demokratieverständnis zu fördern, etwa in dem man vermehrt interethnische Kontakte organisiert und lebt.

Für ganz maßgeblich halten wir auch die Förderung von Empathie – also die Fähigkeit und Bereitschaft, Gedanken, Emotionen, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen und zu verstehen

Rechtsextremisten verbindet der Wunsch nach einer autoritären Staatsführung, der Unterordnung des Individuums unter die Gemeinschaft und der Glaube an eine ethnisch bedingte Ungleichheit von Menschen. Entsprechend werden all jene abgewertet, die aufgrund ihrer Herkunft, Religion, ihres sozialen Status oder ihrer körperlichen Merkmale nicht als zugehörig zur eigenen Gemeinschaft erscheinen.

Also ist es gefährlich wenn jemand sich nicht hineinversetzen kann in denjenigen, der nicht zur eigenen Gemeinschaft gehört. Ich bin gespannt auf eine Debatte, bei der wir mit Experten diskutieren, wie wir Empathie und Toleranz in unserer Gesellschaft voranbringen wollen – nötig ist das ganz bestimm!