Martjes Rede zur Geburtshilfe in Wyk

Als wir im Oktober unseren Antrag stellten, konnten wir nicht ahnen, welch ein Rattenschwanz an Veränderungen aufgrund des Aufsichtsratsbeschlusses „Schliessung der Geburtshilfe in Wyk“ vom 14.9. noch folgen sollte –
kurze Zeit später warfen die beiden Wyker Gynäkologen aus haftungsrechtlichen Gründen das Handtuch, so das ein Aufrechterhalten des Kreisssaals von jetzt auf gleich unmöglich wurde.
Ein Sturm der Entrüstung brauste los und wir Festland-Nordfriesen durften anerkennend beobachten, wie tief der Zusammenhalt der Insulanerinnen und Insulaner war- 1.000 Menschen gingen auf die Strasse, Geschäfte wurden bewußt  aus Solidarität geschlossen.
In engem Kontakt mit der Föhrer Kommunalpolitik hatten wir von den GRÜNEN aber doch so etwas wie Hoffnung, dass wir für den Standort Wyk, zumindest zeitweise, eine Sonderlösung hinbekommen –
Nur – wurde es immer schlimmer – in den kommenden Wochen wurde aus dem Problem der Schließung des Wyker Kreisssaals dann eine allgemeine Standortfrage und spätestens nach der Präsentation von Herrn Vorwig am vorletzten Montag – er schlägt massive Einschränkungen an den Standorten in Niebüll und Tönning vor – war uns GRÜNEN klar, dass wir den vorliegenden Antrag in dieser Form nicht stellen können!
Und so stehe ich heute vor Ihnen – nach Wochen mit täglichen, stundenlangen Telefonaten, Emails und  daraus resultierenden Entwürfen für Änderungsanträge bin ich nicht mehr und nicht weniger als :
 RATLOS!

Denn – uns sind die Hände gebunden und wir steh’n tatsächlich mit dem Rücken zur Wand. Wir müssen jetzt erstmal die drohende Insolvenz des Gesamtklinikums abwenden!
Im Zuge des gerade vom Bundestag verabschiedeten Krankenhausreformgesetzes gelten all diese Standorte als unsicher – die Qualität und Routine sei erst ab einer Geburtenzahl von 750 Geburten gegeben!
Spätestens nach solchen Leitlinien / Empfehlungen dürfte auch Lieschen Müller verstanden haben, dass Gesundheit nicht mehr unser höchstes Gut, sondern eine Ware ist!
Der Klinikbetrieb ist ein Wirtschaftsunternehmen – sind die Zahlen betriebswirtschaftlich unrentabel – machen wir das Ding dicht! Aber der Bevölkerung verkaufen wir es als Qualitätssteigerung, wenn wir „Leistungen“ an einem Ort bündeln!
Meine Damen und Herren, was bedeutet denn Qualität? Gerade in Bezug auf die Geburtshilfe?
3 Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin meine Familie und vertraute Umgebung zu verlassen und unter jugendherbergsähnlichen Zuständen auf das Einsetzen von Wehen zu warten – also ganz ehrlich – selbst ich als Verfechterin der Hausgeburt kann unter diesen Umständen verstehen, wenn eine Frau sich zum Kaiserschnitt entscheidet – der Kaiserschnitt aus sozialer Indikation – vielleicht bekommen wir ja dafür einen extra Gebührenpunkt im DRG – System?

Wie sieht denn die Qualität in den Perinatalzentren aus? Meines Wissens sind die Zustände teilweise katastrophal – Frauen mit Wehen, für die noch keine Kapazität im Kreisssaal besteht müssen einfach nochmal etwas Treppe steigen, frischgebackene Familien werden in den ersten Stunden auf dem Flur zwischengeparkt – so zwischen Fahrstuhl und Ausgang und unter Flutlicht fällt das Bonding dann heute mal einfach aus?
Und auch ein Perinatalzentrum muss gewisse Mindestzahlen produzieren, ansonsten wird mir der LEVEL 1 Status wieder genommen – was das bedeuten könnte – im Zuge der Wirtschaftlichkeit mag ich mir gar nicht ausdenken……Aber wir sollten genau diese Fragen stellen? Gerade hier im ländlichen Raum!                

Meine Kolleginnen und ich erleben in der häuslichen Begleitung im Wochenbett Frauen, die  NIE WIEDER EIN KIND BEKOMMEN WOLLEN! Dieser Satz  fällt meist unter Tränen……

Aber diese Reform soll laut Gesetz und Empfehlungslage die beste Lösung sein – nur frage ich mich: für wen? Wir Frauen wollen gar nicht gerettet werden! Wir waren besser dran vorher. Oder sind auf Föhr und auf Sylt reihenweise Frauen verblutet und Kinder gestorben?
Schwangerschaft und Geburt sind nicht gefährlich- ganz im Gegenteil – doch wir haben weder auf Kreis – noch auf Landesebene die Macht uns gegen Leitlinien und Beschlüsse des Bundes zu stellen – aber wir müssen als Bürgerinnen und Bürger laut werden! Aufhalten können wir die geplanten Schließungen derzeit nicht  – die Skandinavischen Länder, Frankreich und andere, haben all das die letzten Jahre schon durchgezogen – 100 km zur nächsten Geburtshilfe in Frankreich – ganz normal. Aber in manchen Ländern beginnt schon langsam ein Umdenken – England empfiehlt bei unkomplizierter Schwangerschaft bereits die Hausgeburt, ebenso wie die Niederlande seit Jahren! Ich bin der festen Überzeugung, dass der Wegfall des Wyker Kreisssaals mehr Notfälle produziert als verhindert!
Liebe Insulanerinnen und Insulaner – wir können die Schließung nicht zurücknehmen aber wir von BDNS 90/ DIE GRÜNEN hoffen, heute hier in der Debatte einen mehrheitsfähigen Konsens zu finden, der für Euch Familien eine annehmbare, sichere Übergangslösung bedeutet und für die Hebammen , Ärzte und den Rettungsdienst eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe!
BIS:
– ja, bis wir uns trauen Gesundheit nicht mehr betriebswirtschaftlich zu betrachten !