Geboren und aufgewachsen – das wissen die meisten hier – bin ich ziemlich weit oben im Norden von Nordfriesland, in Dagebüll, in Niebüll bin ich viele Jahre zur Schule gegangen. Da bin ich als Kind auch zweimal im Krankenhaus operiert worden. War zwar nicht schlimm (die Polypen und ein Aterom ham sie mir damals weg geschnitten), aber die Details, sogar den OP-Raum sehe ich noch heute vor mir.
Ansonsten war ich als Kind nicht oft krank, da hat unsere Gemeindeschwester (das war gar nicht so ’ne ganz schlechte Einrichtung damals, Schwester Hanna hieß sie, die hat uns auf die Welt geholfen, hat aufgepasst, dass wir unseren Lebertran, unsere Kalktabletten und unsere Impfungen kriegten, hat unsere kleineren Wunden versorgt, kam 1 – 2 Mal die Woche vorbei, manchmal auch nur zum Schnacken), also unsere Gemeindeschwester und unser Hausarzt (Dr. Preuß aus Niebüll, wer den noch kennt) haben ausgereicht, um mich gesund durch die Kindheit zu schleusen. Mein Opa (Hermann Petersen) hat mal 4 Wochen im Niebüller Krankenhaus gelegen. Den konnten wir ohne Auto und ohne umsteigen (mit der Kleinbahn Niebüll – Dagebüll AG) jeden zweiten Tag besuchen. Da haben wir damals gar nicht drüber nachgedacht, aber aus heutiger Sicht war das natürlich schon ein Glücksfall und im Nachhinein gar nicht selbstverständlich.
Heute leb’ ich im westlichen Eiderstedt, ziemlich dicht an St. Peter-Ording dran. Die Weh- Wehchen werden mehr, die Einschläge kommen dichter. Da kommt einem mindestens 1x die Woche der Gedanke hoch: Was wäre wenn …………, denn irgendwas drückt oder ziept ab 60 ja immer. Na gut, da bin ich vielleicht auch ’n bisschen übersensibel, aber bei mir ist das so.
Und seit nunmehr 20 Jahren halte ich mich auch sehr oft in der Mitte von Nordfriesland auf, in Husum. Seitdem bin ich nämlich im Kreistag, verfolge die Entwicklung unseres Kreises und gestalte sie mit, soweit das im Rahmen einer doch relativ kleinen Fraktion möglich war und ist.
Seit kurzem bin ich auch noch im Aufsichtsrat des Klinikums – also ganz dicht dran am Geschehen.
Die Kritik, die man immer wieder liest, wir Abgeordneten hätten gar nicht genug Informationen, um so weit reichende Dinge verantwortungsvoll entscheiden zu können, trifft auf mich nicht zu. Ich fühl mich bei diesem Thema sehr gut informiert, das ist für mich nicht das Problem, macht mir die Sache allerdings nicht unbedingt leichter, eher im Gegenteil.
Letzte Woche hab’ ich ’n Brief von der Gemeinde Kotzenbüll gekriegt. Da steht drin: „Fällen Sie keine leichte und ungeprüfte Entscheidung!
Wir fordern von Ihnen Ihren persönlichen und vollen Einsatz für den Erhalt des Krankenhauses in Tönning in seiner jetzigen Form!
Lösen Sie sich von jeglichem Fraktionszwang und folgen Sie Ihrem eigenen Gewissen und nicht den Wünschen des Landrats oder Ihrer Fraktion!“
Ist er hier, der Bürgermeister?
Ich mein’, so richtig behutsam geh’n die mit meinem Gewissen auch nicht grade um: „Du sollst nach deinem Gewissen entscheiden, aber so wie wir das wollen!“ Aber davon mal ganz abgesehen: Der zweite Wunsch – das mit dem Fraktionszwang und dem Landrat – das geht in Ordnung, das mit der „jetzigen Form in Tönning“ wird schwieriger. Und zur Gründlichkeit meiner Beschäftigung mit dem Thema: Ich hab’ den gesamten Vorgang schon bis jetzt intensiv hin und her geprüft – mach’ die letzten drei Monate fast nix Anderes, eine Sitzung jagt die nächste – und werde das bei diesem hoffentlich erstmal letzten Gutachten natürlich auch tun. Nee – leicht machen wir uns das wirklich nicht!
Mein derzeitiger Stand ist: Da kommt nix Gutes bei raus.
Es ist eigentlich Jacke wie Hose, ob wir diese drastischen Einschnitte beschließen oder nicht. Man kann das auch Dilemma nennen oder Zwickmühle oder vielleicht sogar Tragik. Oder medizinisch: Die Wahl zwischen Pest und Cholera. Dafür gibt’s viele Begriffe. Egal was wir machen, es ist verkehrt:
Wenn wir diese drastischen Einschnitte nicht machen, kriegen wir von unserer Haus- und Hofbank keine Kredite mehr und werden zahlungsunfähig, und wenn wir sie machen (und zwar mehr oder weniger transparent, so wie jetzt – mit breiter Debatte in der Öffentlichkeit und in den betroffenen Regionen – was natürlich sein muss, denn heimlich kommt es sowieso raus und wird am Ende noch schlimmer! ), also wenn wir diese Einschnitte beschließen, dann gibt es – scheinbar erst so nebenbei und unauffällig, aber das verfestigt sich dann stetig – dann gibt es eine Abstimmung mit den Füssen: Die Patienten, die Ärzte und das sonstige Personal machen sich in ihrer Not auf den Weg und sehen zu, dass sie irgendwo anders unterkommen.
Wenn viele Ärzte und Patienten weg sind, kommt man natürlich auch nicht mehr auf die Stückzahl an Operationen, die im neuen Krankenhausstrukturgesetz gefordert sind, wonach dann die Boni und Mali für ganze Krankenhäuser bzw. einzelne Abteilungen verteilt werden, was für kleine Krankenhäuser im ländlichen Raum dann zwingend noch mal negative finanzielle Konsequenzen hat.
- Natürlich muss man sich fragen: Was haben wir auf Kreisebene dazu beigetragen? Wer hat Schuld? Welche Rolle hat beispielsweise der Bürgerentscheid von 2002 gespielt? Wo und wann hätte wer umsteuern müssen?
- Aber man muss auch nach den übergeordneten Ursachen der Misere fragen, denn wir sind beileibe nicht die einzige Region mit diesen Problemen:
a) Wer verantwortet im Bund die zunehmende Schlechterstellung des ländlichen Raumes bei der medizinischen Versorgung (Fallpauschalen, Krankenhausstrukturgesetz, um nur die beiden wichtigsten Fallstricke zu nennen)? (Die parteipolitischen Schuhe kann sich dabei jeder selbst anziehen).
b) Oder auf Landesebene: Die Investitionskostenzuschüsse, die vom Land zu zahlen sind, kommen oft erst Jahre später, die Hälfte kommt gar nicht an.
- Die Strukturen stimmen nicht. Sie stimmen unten nicht: Da ist vielleicht wirklich ’ne Verwaltungsebene zuviel. Die Debatte flammt ja grade neu auf: Ämter weg oder Kreise weg (Langbehn aus Leck, Puschmann aus Niebüll) und die Strukturen stimmen oben nicht: Solange große Firmen so wenig Steuern zahlen und solange nur einige wenige von diesen Begünstigten über milliardenschwere Stiftungen ihr Gewissen beruhigen und das Geld nach ihrem eigenen Gutdünken verteilen, so lange ist für uns zu wenig im Topf. Denn auf so eine Stiftungsausschüttung der Reichen können wir hier lange warten. Da haben Sylt und Föhr vielleicht ’ne kleine Chance, aber mehr ist da für Nordfriesland nicht zu holen. Damit könnte man dann vielleicht auch ‚ne eigenständige Regionalklinik finanzieren. Anders wird das nix.
- Und schließlich haben wir auf allen Ebenen damit zu kämpfen, dass Gesundheit immer mehr als Ware betrachtet und durchökonomisiert wird (Das hatte Martje ja letztes Mal bei der Geburtshilfe schon rausgearbeitet). Das können wir bedauern, aber dagegen sind wir allein auf der Kreisebene hier unten machtlos.
Ich glaube, wir müssen wohl langsam zu dem Schluss kommen: Unter den gegebenen gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ist ein Klinikum auf dem flachen Land in kommunaler Trägerschaft heute nicht mehr führbar.
Das wird dann darauf hinauslaufen, dass wir von einem größeren Konzern geschluckt werden, der dann die Häuser umgestalten und noch mehr und überwiegend nach den Aspekten ‚Gewinn’ und ‚Verlust’ und ‚Rendite’ bestimmen wird, wo’s langgeht.
Ich könnte natürlich jetzt sagen: Die Grünen, wenn sie die Mehrheit hätten, die würden das alles ganz anders machen ………………………. (aber dazu bin ich schon zu lange dabei und auch zu ehrlich).
Obwohl – dieser Gedanke ’Gesundheit darf keine Ware sein’ würde da sicher auf fruchtbaren Boden fallen.
Aber ’ne grüne Mehrheit zeichnet sich ja derzeit auch irgendwie nirgends ab 🙁
Es ist also zur Zeit nirgends Rettung in Sicht. Außer dass vielleicht weiterhin der Kreis das jährliche Defizit von jetzt 2, in 2 Jahren 4 und bald noch mehr Millionen bezahlt. Das könnte eine Lösung sein.
Doch leider ist der Kreis derzeit so hoch verschuldet, dass dann eine Haushaltssperre oder Teilsperre drohen würde mit ähnlichen Folgen wie bei der Insolvenz des Klinikums. Also auch keine wirklich nachhaltige Lösung des Problems, wenn nicht die Judikative ein Einsehen hat: Wenn die Klage gegen das Finanzausgleichsgesetz für die Kreise positiv beschieden würde, gäbe es wieder ein bisschen Hoffnung.
Da ist nur leider wieder der Haken, dass Gerichte manchmal sehr langsam mahlen, und der Ausgang schwer vorhersehbar ist, wir aber relativ zeitnah entscheiden müssen, was mit unserem Klinikum werden soll.
Ja, so seh’ ich das zur Zeit, nachdem ich alles abgewogen habe, was ich weiß. Das ist ’ne ziemlich vertrakte Situation. Heimlich hoff’ ich natürlich – auch im eigenen Interesse – dass die Analyse falsch ist.
Im März wissen wir vielleicht mehr – zumindest wissen wir dann, wie das Wirtschaftsberatungsunternehmen BDO das beurteilt. Obwohl dadurch jetzt erstmal wieder ein weiteres und wohl sehr unruhiges Vierteljahr für unser Klinikum ins Land gehen wird, mit allen denkbaren Folgen was die anhaltende Unsicherheit für Patienten und Personal anbelangt.
Wir stimmen der erweiterten Beschlussvorlage zu. Die Hoffnung stirbt zuletzt.